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Der Vogt oder Stabhalter - Konflikte - ein Bsp. aus Zeiningen

1789
Als Repräsentant der Gemeinde und Vollziehungsbeamter der Herrschaft war der Vogt der höchste genossenschaftliche Beamte der Gemeinde und zugleich das unterste herrschaftliche Organ. Im Verlaufe der Entwicklung wurde der Vogt vom vorwiegend herrschaftlichen Beamten zum Dorfvorsteher, der jedoch immer noch nach beiden Seiten verpflichtet war. Tatsache ist aber, dass er innerhalb der Vogtei, die drei bis vier Dörfer umfassen konnte, eine sehr bedeutende Stellung einnahm und entsprechendes Ansehen genoss. Im Vergleich mit dem Obervogteiverwalter, der vorwiegend in obrigkeitlichem Auftrag handelte, standen beim Vogt natürlicherweise die Interessen seines Dorfes im Vordergrund. In jeder Gemeinde waren es wenige Familien, die vornehmlich die Vögte stellten. Das Amt des Vorgesetzten blieb nicht selten über zwei bis drei Generationen in derselben Familie, sodass man von eigentlichen Vogtdynastien sprechen kann. Im Auftrag der Obrigkeit war der Vogt für den Vollzug aller amtlichen Befehle und Verordnungen verantwortlich. Er verfügte dabei über die Strafgewalt der Gemeinde. Als höchster Gemeindebeamter leitete der Vogt die Gemeindeversammlungen. Er hatte die Befugnis, solche einzuberufen, wann immer es ihm notwendig erschien. An diesen Versammlungen kamen alle Gegenstände zur Sprache, die den Gemeindehaushalt, die dörfliche Wirtschaft und das öffentliche Leben betrafen. Eine besonders heikle Aufgabe für den Vogt waren die Rekrutenaushebungen. Neben den unregelmässigen Gebühren von Bussen, Augenscheinen, Gerichtstagen usw. bezogen die Vögte eine verhältnismässig bescheidene Barbesoldung aus der Landschaftskasse bzw. von den Gemeinden.
Obwohl bei den meisten Auseinandersetzungen zwischen Vorgesetzten und Gemeinden die latenten sozialen Spannungen zwischen den wenigen mächtigen Familien und den viel zahlreicheren kleinen Bauern und Handwerkern unter der Oberfläche mitwirkten, bildeten doch meistens tatsächlich vorgekommene Amtsmissbräuche des Vogts den Anstoss zum Konflikt – sei es, dass er über den Kopf der Gemeindegenossen hinweg eigenmächtige Entscheidungen getroffen hatte oder dass er sich nachlässiger oder unlauterer Rechnungsführung schuldig gemacht hatte. Solche Streitfälle endeten sehr häufig mit der Entlassung des angegriffenen Beamten.
Ein solcher Fall ist auch in Zeiningen aktenkundig (Quelle: Vom Jura zum Schwarzwald, Band 40): 1789 hatte der damalige Stabhalter Michael Wunderlin mit dem Möhliner Müller und Sägereibesitzer Johann Waldmeyer über die Versetzung einer Sägemühle in den Zeininger Bann verhandelt, ohne die Gemeinde vorher darüber zu orientieren. An der Gemeindeversammlung vom 8. März 1798, wo der Vorgesetzte die bereits ausgestellte Konzession vorlegte, ging es offenbar ziemlich heftig zu, denn der Stabhalter erklärte am folgenden Tag vor Amt „dass er gestern wegen verschiedenen anliegenheiten eine gemeindeversammlung abgehalten und bei dieser gelegenheit auch den von dem müller Johann Waldmeyer in Möhlin wegen übersetzung der sägemühle vor wenig tagen ausgestellten revers vorgewiesen und vorgelesen habe. Hierwider hätten einige gemeindegenossen nicht nur ganz ungegründete einwendung, sondern auch wieder ihne stabhaltere verschiedene vorwürfe gemacht, als man sollte ihne absetzen und einen anderen aufstellen, er seye ein liederlicher vorgesetzter, wobei sich der geschworene Ignaz Brogli mit ausstossung mehrer schelt- und schimpfworte insbesondere ausgezeichnet habe.“
Wir müssen jedoch auch die Gegenseite zum Wort kommen lassen: In einer von drei Geschworenen und 69 Bürgern unterzeichneten Beschwerde wurde Wunderlin vorgeworfen, er hätte vor der Verhandlung unbedingt die Gemeinde anfragen müssen. „Ein vorgesetzter kann sich doch nicht so leicht in gemeindsangelegenheiten mit andern in unterhandlung einlassen, wo ein schaden der gemeind geschieht…. Ein vorgesetzter muss den nutzen der gemeinde suchen und den schaden abwenden….Die bürger machen die gemeind aus; es ware also gegen Johann Waldmeyer eine gemeindsangelegenheit.“
Ausserdem – so wurde moniert - habe Wunderlin die erste Pflicht eines Vorgesetzten, die Bürger mit Anstand zu behandeln, verletzt: „ihme stehet es nicht zu, die bürger anzugreifen und zu schlagen“. Als die Geschworenen ihn schliesslich gefragt hätten, „warum er gegen dem Johann Waldmeyer der gemeind nicht helfe, so sagte er, es seye nichts mehr zu machen, die herrschaft habe schon lang bei dem Waldmeyer gefressen und gesoffen“.
Hatte das Amt anfänglich noch dem Stabhalter geholfen und sogar über einige Bürger Strafen verhängt, bekam endlich doch die Gemeinde Recht. Im Herbst 1792 wurde ein neuer Stabhalter gewählt.
Stabhalter
Der Zeininger Stabhalterstab
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