Der Vogt oder Stabhalter - Konflikte - ein Bsp. aus Zeiningen
Obwohl bei den meisten Auseinandersetzungen zwischen Vorgesetzten und Gemeinden die latenten sozialen Spannungen zwischen den wenigen mächtigen Familien und den viel zahlreicheren kleinen Bauern und Handwerkern unter der Oberfläche mitwirkten, bildeten doch meistens tatsächlich vorgekommene Amtsmissbräuche des Vogts den Anstoss zum Konflikt – sei es, dass er über den Kopf der Gemeindegenossen hinweg eigenmächtige Entscheidungen getroffen hatte oder dass er sich nachlässiger oder unlauterer Rechnungsführung schuldig gemacht hatte. Solche Streitfälle endeten sehr häufig mit der Entlassung des angegriffenen Beamten.
Ein solcher Fall ist auch in Zeiningen aktenkundig (Quelle: Vom Jura zum Schwarzwald, Band 40): 1789 hatte der damalige Stabhalter Michael Wunderlin mit dem Möhliner Müller und Sägereibesitzer Johann Waldmeyer über die Versetzung einer Sägemühle in den Zeininger Bann verhandelt, ohne die Gemeinde vorher darüber zu orientieren. An der Gemeindeversammlung vom 8. März 1798, wo der Vorgesetzte die bereits ausgestellte Konzession vorlegte, ging es offenbar ziemlich heftig zu, denn der Stabhalter erklärte am folgenden Tag vor Amt „dass er gestern wegen verschiedenen anliegenheiten eine gemeindeversammlung abgehalten und bei dieser gelegenheit auch den von dem müller Johann Waldmeyer in Möhlin wegen übersetzung der sägemühle vor wenig tagen ausgestellten revers vorgewiesen und vorgelesen habe. Hierwider hätten einige gemeindegenossen nicht nur ganz ungegründete einwendung, sondern auch wieder ihne stabhaltere verschiedene vorwürfe gemacht, als man sollte ihne absetzen und einen anderen aufstellen, er seye ein liederlicher vorgesetzter, wobei sich der geschworene Ignaz Brogli mit ausstossung mehrer schelt- und schimpfworte insbesondere ausgezeichnet habe.“
Wir müssen jedoch auch die Gegenseite zum Wort kommen lassen: In einer von drei Geschworenen und 69 Bürgern unterzeichneten Beschwerde wurde Wunderlin vorgeworfen, er hätte vor der Verhandlung unbedingt die Gemeinde anfragen müssen. „Ein vorgesetzter kann sich doch nicht so leicht in gemeindsangelegenheiten mit andern in unterhandlung einlassen, wo ein schaden der gemeind geschieht…. Ein vorgesetzter muss den nutzen der gemeinde suchen und den schaden abwenden….Die bürger machen die gemeind aus; es ware also gegen Johann Waldmeyer eine gemeindsangelegenheit.“
Ausserdem – so wurde moniert - habe Wunderlin die erste Pflicht eines Vorgesetzten, die Bürger mit Anstand zu behandeln, verletzt: „ihme stehet es nicht zu, die bürger anzugreifen und zu schlagen“. Als die Geschworenen ihn schliesslich gefragt hätten, „warum er gegen dem Johann Waldmeyer der gemeind nicht helfe, so sagte er, es seye nichts mehr zu machen, die herrschaft habe schon lang bei dem Waldmeyer gefressen und gesoffen“.
Hatte das Amt anfänglich noch dem Stabhalter geholfen und sogar über einige Bürger Strafen verhängt, bekam endlich doch die Gemeinde Recht. Im Herbst 1792 wurde ein neuer Stabhalter gewählt.