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Die Fricktaler und der Kanton Fricktal, 1802/1803

1802
(Zusammenfassung eines Referats von Josef Zimmermann, 1977, vor dem Verfassungsrat des Kanton Aargau, bearb. von S. Wunderlin):
Bis 1801 gehörte das Fricktal zum österreichischen Kaiserreich. Darum auch die vielen Wirtschaften „Zum Adler“ oder „Zur Krone“; in Bözen aber kehrt der Bözbergfahrer in den „Bären“ ein (Berner Untertanengebiet). Die Fricktaler waren, weil sie zur sogenannten Kameralherrschaft (= Territorium im Heiligen Römischen Reich) gehörten, unmittelbar der vorderösterreichischen Regierung unterstellt. Sie wurden daher von Freiburg i. B. aus verwaltet. Doch die Beamten waren ihrerseits unmittelbar den Wiener Regierungsstellen untergeordnet. Ein schwerfälliger und komplizierter Regierungsapparat. Für die Fricktaler aber gar nicht ungünstig. „Wit vom Gschütz – get alt Soldate“, sagten sie sich und behielten ein beachtliches Mass an Selbständigkeit und Eigenleben. So waren denn die Gemeinden in ihrer Verwaltung und in ihrem Finanzhaushalt weitgehend selbständig. Und sie waren stets besorgt, diese Selbständigkeit ja nicht zu verlieren. Kamen aus Wien neue Gesetze oder neue Verordnungen, dann prüfte man in den fricktaler Gemeinden genau, ob nicht vielleicht dadurch alte Rechte eingeschränkt oder gar aufgehoben wurden.
Wer die Fricktaler Geschichte bis 1803 studiert, dem fällt auf:
• Wenn die Fricktaler im österreichischen Grenzland auch schwere Zeiten überstehen mussten (z.B. Dreissigjähriger Krieg), so waren sie doch treue Österreicher.
• Sie haben aber unbedingt an ihrer Selbstverwaltung festgehalten. Wurde versucht, neue staatliche Ämter einzuführen, war Widerspruch aus dem Fricktal sicher.
• Wenn sie aber fanden, die Regierung sollte in dieser oder jener Angelegenheit endlich etwas unternehmen, und wenn diese Regierung dann trotz Bitten nichts tat, dann griffen die Fricktaler zur Selbsthilfe.
Der Kanton Fricktal und Angliederung des Fricktals an den Kanton Aargau 1802/1803
Am 20. Februar 1802 wurde Zeiningen eine Gemeinde im Distrikt Rheinfelden des Kantons Fricktal. Nicht die Fricktaler waren es aber, die den neuen Kanton schufen. Der Schöpfer dieses Staatstraumes war der Waldshuter Arzt Dr. Fahrländer. Weil er aber wie ein Diktator regierte, holten ihn die Fricktaler mitten in der Nacht aus dem Bett und stellten ihn kurzerhand an die Grenze. Der Traum war ausgeträumt; das Fricktal wurde 1803 dem Kanton Aargau angegliedert. Man muss aber wissen, dass die Fricktaler nicht freiwillig Aargauer geworden sind. Ihr Gebiet war für Napoleon ein Tauschobjekt: Das Fricktal zum Kanton Aargau – Das Wallis zu Frankreich.
Wie aber muss man sich das Fricktal vorstellen, als es zum Kanton Aargau kam? In der Chronik eines Pfarrers aus Läufelfingen kann man unter anderem lesen:
„Die Fricktaler hatten durch Arbeitsamkeit und Fleiss eine vorbildliche Landwirtschaft geschaffen. Die Bauern leiteten die Dorfbäche, in welche auch das Mistwasser der Ställe rinnt, zeitweise zur Bewässerung in besondere kleine Kanäle, was viel zur Fruchtbarkeit beiträgt. Der Ackerbau wirft soviel ab, dass man die Erträge mit denen der fruchtbarsten Gegenden Deutschlands vergleichen kann. Der Weinbau bringt ein vorzügliches Erzeugnis. Alle Gemeinden betreiben ihn.“
Über den Charakter der Fricktaler schreibt er:
„Ihr Blick ist ängstlich und etwas finster. Leiden scheinen ihren Humor verstimmt zu haben. Ihnen fehlt das offene Wesen des Schweizers.“
Falls sie wirklich ängstlich und etwas finster dreinschauten, hatten sie jedenfalls im Laufe des 19. Jahrhunderts auch tatsächlich Grund dazu. Sie waren jetzt aus Österreichern Schweizer geworden; sie gehörten zum Kanton Aargau. Doch dieser Kanton musste aus verschiedenen Regionen zunächst ein Staat werden, und die Fricktaler lagen für die andern werdenden Aargauer "weit hinter dem Berg“. Ist es da erstaunlich, wenn die menschlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der Fricktaler zu den Menschen rechts des Rheins bestehen blieben bis zum ersten Weltkrieg. Säckingen mit seinem Münster blieb Mittelpunkt des mittleren Fricktals.
Weil 1835 in Deutschland die Binnenzölle aufgehoben waren, gründeten nicht nur deutsche, sondern auch schweizer Industrielle wie Peter und Otto Bally oder Friedrich Herosé Textilfabriken im Raume Säckingen. So wurde das Fridolinsstädtchen zentraler Arbeitsort für das aargauische Fricktal.
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